Heilpraktiker Geschichte und Historisches
Der Heilpraktikerberuf stellt eine Besonderheit Deutschlands dar, die sich aus der Geschichte erklärt.
Bis zum Jahre 1939 durfte im Deutschen Reich jeder, der sich zum Heilen berufen fühlte, seine Dienste anbieten. Eine qualifizierte medizinische Ausbildung war dazu nicht notwendig.
Wer sich bis zum Jahr 1939 zum Heilen berufen fühlte durfte - ohne qualifizierte medizinische Ausbildung - jedem seine Dienste anbieten. In den folgenden Jahren sollten medizinische Tätigkeiten jedoch in die Hände von staatlich ausgebildeten Ärzten gelegt werden, ohne die über zwanzigtausend nicht medizinisch ausgebildeten Heiler und Behandler ihres Berufes zu berauben. So schuf man das Heilpraktikergesetz, nach dem sich diejenigen, die weiterhin praktizieren wollten, auf ein Mindestwissen hin überprüfen lassen mussten. Da man neue Heiler nur noch in Ausnahmefällen zulassen wollte, war abzusehen, dass es diese Berufsgruppe nach einer gewissen Zeit nicht mehr geben würde. Allerdings wurde das, was als Übergangsregelung gedacht war, 1957 ins Gegenteil verkehrt: Nun musste nicht mehr schlüssig begründet werden, warum jemand als Heilpraktiker doch zugelassen werden sollte, sondern es musste jeder zugelassen werden, der nicht abgelehnt werden konnte. Das Ergebnis ist, dass heute in Deutschland wieder schätzungsweise fünfzehntausend Heilpraktiker praktizieren.
Ausbildung
Heilpraktiker sind – der historischen Entstehung ihres Berufs folgend – Erwachsene, die Menschen behandeln dürfen, ohne dafür eine medizinische Ausbildung absolviert haben zu müssen. Die Ausbildung von Heilpraktikern ist gesetzlich nicht geregelt. Es gibt zwar Heilpraktikerschulen, und die meisten sehen auch eine Prüfung am Schluss der Ausbildung vor. Diese privaten Unternehmen arbeiten jedoch ohne staatliche Vorgaben. Angehende Heilpraktiker können an solchen Schulen, im Fernstudium oder in Abend- oder Wochenendkursen ihr Wissen erwerben oder es sich im Selbststudium aneignen. Manche Institutionen halten 5 000 Stunden Unterricht für erforderlich, anderen erscheinen 200 Stunden ausreichend.
Einzige Voraussetzung, um als Heilpraktiker tätig sein zu dürfen, ist das Bestehen einer Überprüfung durch das Gesundheitsamt. Dabei soll festgestellt werden, ob der Betreffende genügend Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, dass er „keine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde“.
Auch die Inhalte der Überprüfung der Kenntnisse durch den Amtsarzt sind nicht festgelegt. Dennoch hat sich inzwischen ein relativ hoher Prüfungsstandard etabliert, der sich vornehmlich auf Grundkenntnisse über Bau und Funktion des menschlichen Körpers und medizinische Gesetzeskunde bezieht. Aufgrund der sehr uneinheitlichen Ausbildungswege sind die Durchfallquoten bei diesen Überprüfungen hoch.
Besteht ein Interessent die Überprüfung nicht, kann er sie beliebig oft wiederholen. Aus Bremen wurde von einer Person berichtet, die neunmal erschien. Darüber hinaus ist es möglich, seinen Wohnsitz zu wechseln und sich in einem anderen Bundesland erneut überprüfen zu lassen.
Heilpraktiker ist ein typischer Zweitberuf. Etwa die Hälfte von ihnen arbeitete zunächst im Gesundheitsbereich, der Rest hatte eine medizinfremde Profession. Gemäß einer Eigendefinition in der „Berufskunde für Heilpraktiker“ ist für die Berufswahl die individuelle Begabung entscheidend, Krankheiten und Leiden zu erkennen, zu heilen oder zu bessern.
Ansprüche an einen seriösen Heilpraktiker
- Er beantwortet bereitwillig Fragen und erfüllt Forderungen, mit denen die Behandlung abgesichert werden soll, wie zum Beispiel das Erstellen eines Behandlungsplans.
- Er fragt nach einer gegebenenfalls bereits gestellten ärztlichen Diagnose.
- Er erstellt seine Diagnosen nicht mit nachgewiesenermaßen untauglichen Methoden wie Irisdiagnostik, Kinesiologie oder Pendeln. Andere unübliche Diagnosemethoden, wie zum Beispiel die der anthroposophischen Medizin, gebraucht er allenfalls neben den konventionellen Verfahren.
- Er teilt mit, welchen Behandlungsweg er einschlagen möchte.
- Er zeigt eventuelle Behandlungsalternativen auf und begründet, warum er eine spezielle Therapie empfiehlt.
- Er rät nicht davon ab, ärztlich verordnete Medikamente weiterhin einzunehmen.
- Er setzt keine Verfahren ein, bei denen lebensbedrohliche Zwischenfälle (zum Beispiel schwere allergische Reaktionen) auftreten können – es sei denn, er ist nachweislich darin ausgebildet, solche Vorkommnisse zu meistern, und hat die dazu notwendigen Einrichtungen.
- Er beendet die Behandlung und verweist seine Patienten an einen Arzt, wenn sich die Erkrankung verschlimmert oder seine Maßnahmen nicht den erhofften Erfolg bringen.
- Er bespricht vor der Behandlung die Finanzierung und eine eventuelle Kostenübernahme durch eine Versicherung.
- Er orientiert die Berechnung seiner Leistungen am „Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker“, das die Heilpraktikerverbände in Deutschland herausgegeben haben.
- Er verpflichtet sich schriftlich zur Verschwiegenheit.
Grenzen für Heilpraktiker
Einige Tätigkeiten sind Heilpraktikern per Gesetz verboten. Vor der Zulassung müssen sie in der Überprüfung nachweisen, dass sie diese Grenzen kennen. Heilpraktiker dürfen
- keine meldepflichtigen Infektionskrankheiten behandeln (zum Beispiel akute infektiöse Magen-Darm-Entzündungen, Diphtherie, Masern, Tuberkulose, Virushepatitis). Außerdem keine sexuell übertragbaren Krankheiten, keine Krätze, Malaria, Mumps, Röteln oder Windpocken und viele andere Krankheiten.
- keine Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten behandeln,
- keine Geburtshilfe leisten,
- keine verschreibungspflichtigen Medikamente oder Betäubungsmittel verordnen,
- keine Totenscheine ausstellen.
Ansonsten ist ihr Handlungsspielraum groß. Sie dürfen einiges, was ausgebildeten Krankenschwestern nicht erlaubt ist, beispielsweise in die Vene spritzen und Knochenbrüche behandeln. Im Prinzip dürfen Heilpraktiker nahezu alle Diagnose- und Heilverfahren einsetzen – gleichgültig, welche Risiken sie bergen –, und sie dürfen operieren und eine Klinik leiten. Allerdings muss sich ein Heilpraktiker darüber im Klaren sein, ob seine Fähigkeiten und Kenntnisse für den „Fall“, den er sich zu behandeln anschickt, ausreichen, da er letztlich für alles verantwortlich gemacht werden kann, was er tut.
Heilpraktiker unterliegen der Schweigepflicht; allerdings ist sie bei ihnen deutlich weniger streng gefasst und weniger ausgedehnt als bei Ärzten.
Österreich: Hilfesteller und Energethiker
Den Beruf des Heilpraktikers gibt es in Österreich nicht; auch die Ausbildung zum Heilpraktiker in einer Heilpraktikerschule wird nicht anerkannt.
Es existiert jedoch ein freies Gewerbe für „Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen bzw. energetischen Ausgewogenheit“. Als Mittel dürfen diese Hilfesteller Astrologie, Aurainterpretation, Bachblüten, Biofeedback, Bioresonanz, Farben, Handlesen, Düfte, Lichtquellen, Aromastoffe, Edelsteine, kinesiologische Methoden, Magnetfeldanwendung (mit Ausnahme der den Ärzten vorbehaltenen Magnetfeldtherapie), Musik sowie sanfte Berührung des Körpers bzw. vollflächiges Auflegen der Hände (mit Ausnahme der den reglementierten Gewerben der Massage und Kosmetik vorbehaltenen Tätigkeiten) anwenden. Zum freien Gewerbe zählen auch Kosmobiologen, Pendler, Wünschelrutengeher, Wahrsager und Kartenleger sowie „Energethiker“, Menschen-, Tier- und Raumenergethiker (mit „th“ geschrieben als Hinweis auf Ethik).
Eine diagnostische oder therapeutische Tätigkeit im Zusammenhang mit Krankheiten ist all diesen Gewerben explizit verboten. Zur Erlangung des freien Gewerbescheins bedarf es keines Befähigungsnachweises, es wird keine Vorbildung oder einschlägige Ausbildung verlangt oder abgeprüft. Volljährigkeit und die Anmeldung und Bezahlung der Anmeldegebühr von etwa 70 Euro genügen, um eine Praxis zu eröffnen. Es ist keinerlei Kontrolle der Tätigkeit – etwa durch das Gesundheitsamt – vorgesehen. Ende 2004 besaßen 11 000 Hilfesteller und Energethiker einen Gewerbeschein. Hinzu kommt eine unbekannte Anzahl von Personen, die in diesem Bereich ohne Anmeldung tätig sind.
Ein Verhaltenskodex besteht für das Gewerbe der Hilfesteller und Energethiker nicht, daher gibt es auch keine Schweigepflicht und keinen Schutz der Klienten. Es ist davon auszugehen, dass Hilfesteller, Kosmobiologen und Energethiker auch nicht über das nötige Wissen verfügen, wann sie an ihre Grenzen stoßen und ihre Klienten – etwa bei Befindlichkeitsstörungen oder Beziehungsproblemen – zur Diagnose an einen Arzt oder Psychologen weiterverweisen sollten. Der Wirtschaftskammer, die für die Regelung dieser Berufe zuständig ist, liegen Klagen von Kunden vor, die sich als Opfer teurer und nutzloser Behandlungen fühlen.
Wer Yoga- oder Qigong- und Taichi-Training anbietet, Feldenkrais oder Eurythmie betreibt, muss einen Gewerbeschein nach reglementierter Ausbildung im Rahmen von Privatunterricht oder Psychotherapie erstehen. Die Ausbildungen variieren je nach Anbieter. Eine Kontrolle der Tätigkeit ist nicht vorgesehen.
Akupunktmassage ist an das Gewerbe der Masseure gebunden, Shiatsu darf von Masseuren und Psychologen angeboten werden. Hypnose, Reiki und Geistheilen gelten als Krankenbehandlungen. Diese sind – wie auch das Erstellen von Diagnosen – allein Ärzten vorbehalten.
Lebens- und Sozialberater sind in Österreich nur zur psychologischen Beratung berechtigt.